Klimaevolution auf den terrestrischen Planeten

Das Goldlöckchen-Problem: Warum ist der Mars zu kalt, die Venus zu heiß, aber die Erde genau richtig?


 

Früher galten Planeten mit gemäßigtem, erdähnlichem Klima in unserer Galaxis als seltene Ausnahmen. Nun aber folgt aus mathematischen Modellen, daß Planeten außerhalb des Sonnensystems häufig lebensfreundlich sein könnten. 
Warum ist der Mars für Lebewesen zu kalt, Venus zu heiß und die Erde genau richtig? Auf den ersten Blick scheint dieses klimatologische Problem leicht lösbar. Es leuchtet ein, daß die Erde mit ihrer lebensfreundlichen mittleren Temperatur von 15°C an der Oberfläche zufällig genau im richtigen Abstand von der Sonne entstanden ist, nicht aber die Planeten Mars (-60°C) und Venus (457°C); darum gibt es nur auf der Erdoberfläche Wasser in flüssiger Form und somit eine Grundvoraussetzung für Leben.
Drei höchst ungleiche Schwestern: Die heiße Venus (links, in einer gefärbten Aufnahme), die gemütliche Erde (Mitte), und der kalte Mars (rechts, Aufnahme aus dem Marsfrühling). Quelle: NASA's Planetary Photojournal


 

Aber durch bloßen Zufall lassen sich die Temperaturen dieser erdähnlichen Planeten mit Gesteinskruste nicht vollständig erklären. Führende Klimawissenschaftler, darunter James F. Kasting und James B. Pollack, behaupten, daß diese drei Nachbarn einander einst in vieler Hinsicht glichen: Auf ihren Oberflächen gab es ähnliche Minerale und in ihren Atmosphären ähnliche Gase, darunter auch Kohlendioxid und Wasserdampf; und in allen drei Fällen war das Klima so gemäßigt, daß Wasser in flüssiger Form große Teile der Oberfläche bedecken konnte. 
Die enorm verschiedenen Klimaverhältnisse entstanden vor allem, weil die drei Planeten ihr Kohlendioxid unterschiedlich gut zwischen Kruste und Atmosphäre auszutauschen vermochten.
Kohlendioxid ist neben Wasserdampf und einigen anderen Substanzen ein sogenanntes Treibhausgas. Es läßt die Sonnenstrahlung durch, absorbiert jedoch die vom Planeten aufsteigende infrarote Wärmestrahlung und strahlt sie teilweise zur Planetenoberfläche zurück. Die Erde wird durch diesen Effekt um 35°C erwärmt. Im besonderen zeigten Berechnungen von Kasting und Pollack, daß die Erde vor allem deswegen immer ein gemäßigtes Klima gehabt hat, weil ihr Austauschmechanismus die Kohlendioxidmenge in der Atmosphäre erhöht, wenn sich die Planetenoberfläche abkühlt; hingegen erniedrigt sich die Kohlendioxidmenge, wenn die Bodentemperatur ansteigt. Mars ist heute tiefgefroren, weil er die Fähigkeit eingebüßt hat, das Kohlendioxid wieder in seine Atmosphäre freizusetzen. Auf der Venus wiederum ist es unerträglich heiß, weil dort das umgekehrte Problem entstanden ist: Sie vermag das Kohlendioxid nicht mehr aus ihrer Atmosphäre zu entfernen. (Merkur, der vierte terrestrische Planet, hat so gut wie gar keine Atmosphäre - seine Temperatur wird ausschließlich von der Sonnenstrahlung bestimmt.)

 Das Paradoxon der schwachen jungen Sonne...

Doch das Interesse der Klimaforscher an der Rolle des Kohlendioxids bei der Evolution von Erde, Mars und Venus rührt von einem anderen kosmologischen Rätsel der Erdentstehung her: dem Paradoxon der schwachen jungen Sonne (faint young sun paradox). Praktisch jedem Modell der Sternentwicklung zufolge strahlte die Sonne vor ungefähr 4,6 Mrd. Jahren, als das Sonnensystem entstand, um 25 - 30% schwächer als heute. Anscheinend hat seither die Leuchtkraft der Sonne, d. h. ihre Strahlungsintensität, ungefähr linear mit der Zeit zugenommen.
Dieses Paradoxon entsteht, wie Carl Sagan und George Mullen von der Cornell-Universität in Ithaca in den 70er Jahren festgestellt haben, wenn man folgendes einsieht: Falls die ursprüngliche Erdatmosphäre der heutigen ähnlich gewesen wäre, müßte die Erde bei anfangs schwacher Sonnenstrahlungsintensität in der Zeit bis vor ungefähr 2 Mrd. Jahren vollständig von Eis bedeckt worden sein.
Das war aber nicht der Fall. Im Gegenteil, Sedimentgesteine zeigen an, daß es auf der Erde seit mindestens 3,8 Mrd. Jahren flüssige Ozeane gegeben hat - und die Zusammensetzung dieser Sedimente deutet darauf hin, daß die globale Durchschnittstemperatur vor 3,5 Mrd. Jahren bei ca. 70°C gelegen hat. Auch existiert seit dieser Zeit schon Leben auf der Erde, und daraus folgt, daß die Erdoberfläche seither niemals ganz zugefroren war. 

 ...und seine Auflösung

Sagan und Mullen erkannten, daß dieses Paradoxon verschwindet, wenn man annimmt, daß sich die Erdatmosphäre im Laufe der Zeit verändert. Hätte der Planet z. B. anfangs eine geringere Bewölkung als heute gehabt, dann wäre weniger einfallende Sonnenstrahlung in den Weltraum reflektiert worden, und der Planet wäre entsprechend wärmer gewesen. Ungefähr 30% der Sonneneinstrahlung, die gegenwärtig die Obergrenze der Erdatmosphäre erreicht, werden in den Weltraum reflektiert, größtenteils durch Wolken. Eine kältere Erde wäre wahrscheinlich weniger bewölkt gewesen, aber nach den geologischen Befunden war die Erde anfangs wärmer als heute: Es ist keine Eiszeit bekannt, die älter ist als 2,7 Mrd. Jahre.
Wahrscheinlicher ist die Erklärung, daß in ferner Vergangenheit der Treibhauseffekt ausgeprägter war. Sagan und Mullen vermuteten, Ammoniak (NH3), ein starker Infrarotabsorber, hätte für warmes Klima gesorgt, selbst wenn in einer Million Luftmolekülen nur 100 Moleküle dieses Gases vorhanden gewesen wären. Späteren Untersuchungen zufolge hätte jedoch die Sonne das Ammoniak rasch in Stickstoff und Wasserstoff umgewandelt - und beides sind keine Treibhausgase. Das Modell bleibt nur stimmig für den Fall, daß von der Planetenoberfläche laufend Ammoniak an die Atmosphäre nachgeliefert worden wäre.
Andere Forscher haben sich auf Kohlendioxid konzentriert, da es von der Sonnenstrahlung nicht sofort aufgespalten wird. Kohlendioxid ist auf der Erde sicherlich im Überfluß vorhanden; die derzeit in den Carbonatgesteinen gespeicherte Menge würde einen Druck von ca. 60 bar ausüben, wenn sie in die Atmosphäre freigesetzt würde (heute enthält die Erdatmosphäre ungefähr 0,0003 bar Kohlendioxid). Wären nur einige hundert Millibar des gespeicherten Kohlendioxids ursprünglich als Gas vorhanden gewesen, hätte der dadurch bewirkte zusätzliche Treibhauseffekt die geringere Sonneneinstrahlung ausgeglichen.
Durch die Annahme, erhöhte Kohlendioxidwerte hätten die Erde vor der Vereisung bewahrt, kam man bald auf folgende Idee: Falls die Kohlendioxidkonzentration mit einer Rate abnahm, die den Anstieg der Sonnenintensität genau ausglich, könnte diese Abnahme erklären, warum auf der Erde stets gemäßigte Temperaturen geherrscht haben.

"E.T.-Killer" Hart und seine Berechnungen

Michael H. Hart von der NASA versuchte diese Abnahmegeschwindigkeit zu berechnen. Er fand eine Lösung, wonach die Kohlendioxidkonzentration annähernd logarithmisch mit der Zeit abnahm; aber seine interessanteste Entdeckung war, daß er nur mit sehr wenigen seiner Ansätze zu vernünftigen Ergebnissen gelangte. Das heißt: Wäre die Änderungsgeschwindigkeit der atmosphärischen Zusammensetzung zu irgendeiner Zeit nur geringfügig von seiner präzisen Lösung abgewichen, so hätte Leben auf der Erde nicht weiter existieren können. Hätte die Kohlnedioxidkonzentration zu langsam abgenommen, wäre die Erde ein Dampfbad geworden; bei allzu schneller Abnahme wären die Meere zugefroren. 
In anderen Rechnungen variierte Hart den Abstand zwischen Erde und Sonne geringfügig. Hätte sich demnach die Erde um 5% näher an der Sonne gebildet, wären durch Erwärmung der Atmosphäre die Ozeane verdunstet - ein  Zustand, der als Treibhausinstabilität bekannt ist (runaway greenhouse). Umgekehrt hätte den Planeten das Schicksal der sogenannten Totalvereisung (runaway glaciation) ereilt, falls er nur um 1% weiter entfernt von der Sonne entstanden wäre.

Der Nordpol des Mars, aufgenommen am 12. September 1998 von der Sonde Mars Global Surveyor. Nach Harts Berechnungen ist die Erde diesem Schicksal nur äußerst knapp entkommen.
Quelle: NASA's Planetary Photojournal
Nur in dem ziemlich engen Bereich von Erdradien zwischen 0,95 und 1,01 astronomischen Einheiten (AU) war die eine wie die andere Klimakatastrophe zu vermeiden. Hart nannte diesen äußerst schmalen Streifen von Umlaufbahnen die dauernd bewohnbare Zone.
Harts Schlußfolgerungen waren insofern unbefriedigend, als demnach die Erde nur durch einen außergewöhnlichen Zufall dem Schicksal des Mars oder dem der Venus entgangen wäre. Bewohnbare Planeten wie die Erde sollten demnach eine äußerst seltene Ausnahme sein - dann gäbe es in unserer Galaxis wohl nur eine Handvoll davon. Erst in den 80er Jahren haben Wissenschaftler den Schwachpunkt seiner Hypothese entdeckt. Einem mathematischen Modell zufolge, das James Walker und Paul Hays von der Universität Michigan sowie Kasting entwickelt haben, sind die Änderungen der Kohlendioxidkonzentration nicht ein Produkt bloßen Zufalls. Vielmehr schwanken die Anteile dieses Gases an der Atmosphäre wohl infolge von Variationen der Oberflächentemperatur. Und zwar sinken, wenn die Temperatur ansteigt, die atmosphärischen Kohlendioxidwerte, so daß auch die Oberflächentemperatur sinkt; kühlt sich die Oberfläche ab, steigt der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre und erwärmt die Erdoberfläche. Durch den Dämpfungseffekt dieser negativen Rückkopplung lief die Erde wahrscheinlich nie Gefahr, entweder Treibhausinstabilität oder Totalvereisung zu erleiden.

Der Carbonat-Silicat-Zyklus

Dieses Rückkopplungsssystem beruht auf dem geochemischen Carbonat-Silicat-Zyklus: auf sein Konto gehen ungefähr 80% des Kohlendioxids, das zwischen Gestein und Atmosphäre im Laufe von mehr als 500.000 Jahren ausgetauscht wird. Dieser Zyklus beginnt, indem atmosphärisches Kohlendioxid mit Regenwasser Kohlensäure (H2CO3) bildet. Der Regen erodiert Gestein, das Calcium-Silicat-Minerale enthält. Dabei reagiert die Kohlnesäure chemisch mit dem Gestein und setzt Calcium- und Bicarbonat-Ionen (Ca2+ und HCO3-) in das Grundwasser frei. Das Wasser transportiert die Ionen in Bäche, Flüsse und schließlich in den Ozean.
Im Meer bauen Plankton und andere Organismen diese Ionen in das Calciumcarbonat (CaCO3) ihrer Kalkschalen ein. Wenn die Organismen sterben, sinken sie auf den Meeresboden und bilden Carbonatsedimente. Im Laufe vieler Jahrtausende bewegt sich der Meeresboden von den mittelozeanischen Rücken her auseinander und transportiert diese Sedimente zu den Kontinentalrändern. Dort schiebt sich der Meeresboden unter die Landmassen und wandert tiefer ins Erdinnere.
Während dieser Subduktion werden die Sedimente steigenden Temperaturen und Drücken ausgesetzt. Das Calciumcarbonat reagiert dabei mit Quartz; durch den sogenannten Carbonatmetamorphismus bildet sich erneut Silicatgestein, wobei gasförmiges Kohlnedioxid freigesetzt wird. Das Gas gelangt schließlich wieder in die Atmosphäre, entweder über die mittelozeanischen Rücken oder, auf heftigere Weise, durch Vulkanausbrüche an den Rändern der tektonischen Platten.

Der Carbonat-Silikat-Zyklus (Schema)
Walker und seine Mitarbeiter erkannten, daß Änderungen der Oberflächentemperatur mit der Zeit die Menge des Kohlendioxids in der Umwelt beeinflussen und somit auch das Ausmaß des Treibhauseffekts.
Angenommen, die Oberflächentemperatur fällt aus irgendeinem Grund, etwa weil die Sonne schwächer strahlt. Wenn die Meerestemperaturen fallen, verdunstet weniger Wasser in die Atmosphäre, es gibt weniger Regen und folglich auch weniger Erosion. Unter diesen Umständen wird das Kohlendioxid langsamer aus der Atmosphäre entfernt - aber die Geschwindigkeit, mit der Kohlendioxid durch den Carbonatmetamorphismus neu entsteht und in die Umwelt gelangt, bleibt unverändert. Als Endergebnis reichert das Gas sich in der Atmosphäre an, der Treibhauseffekt nimmt zu und stellt wieder höhere Oberflächentemperaturen her. 
Nähme umgekehrt die Oberflächentemperatur aus irgendeinem Grunde zu, so würde die Verdunstungsrate der Ozeane ansteigen und somit die Niederschlagsmenge. Die Silikatgesteine würden stärker erodiert, und dadurch würde der Umwelt mehr Kohlendioxid entzogen. In diesem Fall nähme der Treibhauseffekt ab.
Die Rückkopplung kann man sich vielleicht am einfachsten anhand eines Extremfalles veranschaulichen. Frören die Ozeane jemals vollständig zu, so käme der Niederschlag praktisch zum Erliegen, und die Atmosphäre würde immer kohlendioxidreicher. Die gegenwärtigen Ausgasungsmengen würden die Atmosphäre innerhalb einer geologisch unbedeutenden Zeitspanne von 20 Mio. Jahren mit Kohlendioxid entsprechend 1 bar Druck anreichern. Dies würde die Oberflächentemperatur um rund 50°C erhöhen - mehr als genug, um das Eis zu schmelzen und das gemäßigte Klima wiederherzustellen.

Klimamodellrechnungen zufolge wäre die Erde in ihrer Frühzeit gefroren, wenn ihre Atmosphäre so wie heute zusammengesetzt gewesen wäre. Der Grund dafür ist, daß die Sonne früher um fast 30% schwächer strahlte (gelbe Kurve). Die obere blaue Kurve zeigt die Oberflächentemperatur, wenn ein eindimensionales, das heißt global gemitteltes Klimamodell zugrunde gelegt wird; die Konzentration des atmosphärischen Kohlendioxids wird als konstant angenommen (auch viele der im Text erörterten Berechnungen beruhen auf einem eindimensionalen Modell). Die untere rote Kurve zeigt die Oberflächentemperatur einer Erde ohne Atmosphäre. Der Bereich zwischen der blauen und der roten Kurve gibt die Größe des Treibhauseffekts an. Wahrscheinlich waren die wirklichen Kohlendioxidkonzentrationen in der Vergangenheit höher als hier dargestellt, und entsprechend lag auch die Oberflächentemperatur der Erde höher.

Die Rolle der Lebewesen

Da lebende Organismen eine wichtige Rolle beim Austausch von Kohlendioxid mit der Atmosphäre spielen, vermuten manche Forscher, für die Regulierung des Erdklimas seien hauptsächlich Lebenwesen verantwortlich. James Lovelock von der Versuchsstation Coombe Mill in Cornwall und Lynn Margulis von der Universität Boston sind die Hauptvertreter dieser Gaia-Hypothese, benannt nach der griechischen Göttin der Erde. Sie behaupten, die Abnahme des atmosphärischen Kohlendioxids im Laufe der Erdgeschichte sei eine direkte Folge biologischer Einflüsse, und ohne Lebewesen hätte das Klima der Erde sich durchaus wie auf Mars oder Venus entwickeln können.
Gewiß sind die Lebewesen wichtig. Die rund 20% Kohlendioxid, die nicht am Carbonat-Silicat-Zyklus teilnehmen, werden der Atmosphäre durch die Photosynthese der Pflanzen entzogen. Wenn solche Organismen absterben, lagern sie in den Sedimenten organische Verbindungen ab. Das Kohlendioxid wird regeneriert, wenn tektonische Prozesse die Sedimentgesteine auffalten und Gebirge bilden: Dann kann der Kohlenstoff im Gestein mit dem atmosphärischen Sauerstoff des Regeenwassers reagieren.
Lebewesen beeinflussen aber auch den Carbonat-Silicat-Zyklus. Die Rolle, die das Meeresplankton durch die Bildung von Carbonatsedimenten spielt, haben wir schon erwähnt, aber die Landpflanzen könnten tatsächlich noch wichtiger sein. Wenn Pflanzen verwesen, steigt durch Oxidation der pflanzlichen Rückstände die Kohlendioxidmenge im Boden. Darum sind die Kohlendioxid-Konzentrationen in typischen Böden heute wahrscheinlich höher als vor ca. 400 Mio. Jahren, und diese Erhöhung beschleunigt die Umwandlung von Silicatmineralen in Carbonatsedimente.
Trotzdem bleiben Kasting und Pollack bei ihrer Behauptung, daß die atmosphärische Kohlendioxid-Konzentration im wesentlichen durch physikalisch-chemische und nicht durch biologische Vorgänge reguliert wird. Dies läßt sich z. B. so begründen: Wenn es die schalentragenden Organismen nicht gäbe, die heute Calciumcarbonat am Meeresboden ablagern, stiege die Konzentration von Calcium- und Bicarbonat-Ionen im Meerwasser an. Sobald aber die Ionenkonzentrationen einen kritischen Wert erreicht hätten, würde sich Calciumcarbonat auch ohne Zutun von Organismen bilden. Das muß bis vor ca. 540 Mio. Jahren der Fall gewesen sein, bevor die Schalenbildner erstmals auftraten.
Ebenso ergibt sich aus Berechnungen, daß die durch völliges Verschwinden aller Landpflanzen verursachte Abnahme der Silicat-Erosion schon mit einem Temperaturanstieg von rund 10°C wieder wettzumachen wäre; einen solchen Anstieg könnte der Carbonat-Silicat-Zyklus durch seinen negativen Rückkopplungseffekt durchaus hervorrufen. Der verstärkte Treibhauseffekt würde ein Klima erzeugen, das dem der mittleren Kreidezeit vor 100 Mio. entspräche; warm, aber trotzdem für viele Lebensformen geeignet, einschließlich der Dinosaurier. Daher kann man mit gutem Grund annehmen, daß die Erde selbst dann bewohnbar geblieben wäre, wenn sie niemals bewohnt worden wäre. Der Carbonat-Silicat-Zyklus hätt für den notwendigen Dämpfungsmechanismus gesorgt.
Gegenwärtig trägt allerdings in erster Linie Wasserdampf zu der Treibhauserwärmung der Erde um insgesamt 35°C bei; also könnte man sich fragen, ob der Wasserdampf dafür verantwortlich war, daß unser Planet im Laufe seiner Entwicklung ein gemäßigtes Klima aufrechterhalten konnte. Die Antwort ist Nein. Die Menge an atmosphärischem Wasserdampf wirkt Änderungen der Oberflächentemperatur nicht entgegen, sondern verstärkt sie sogar: Der Wasservorrat der Atmosphäre steigt an, wenn sich die Oberflächentemperatur erhöht, und verringert sich, wenn die Oberflächentemperatur fällt. Darum kann nur ein globaler Rückgang der Kohlendioxidkonzentrationen erklären, warum die Oberflächentemperatur der Erde nicht mit der allmählich sich verstärkenden Sonnenstrahlung zugenommen hat, sondern in einem Bereich geblieben ist, der Leben ermöglicht.

Auf dem Mars versagte die Dämpfung

Zwar hat also auf der Erde vermutlich der Kohlendioxid-Kreislauf das Klima im Laufe seiner Entwicklung in vernünftigen Grenzne gehalten; aber auf dem Mars konnte solch ein Prozeß nicht dasselbe bewirken. Heute besteht fast die gesamte Marsatmosphäre aus nur 6 mbar Kohlendioxid, und dadurch kommt bloß eine Treibhauserwärmung um rund 6°C zustande.

Das Western Ttithonium-Chasma im Valles Marineris. Sandige Formationen dieser Art sind typisch für die heutige trockene Marsoberfläche. Bemerkenswert an dieser Aufnahme ist die Schichtung der Oberfläche bis hinab zum Boden des Canyons. Eine Schichtung dieser Art hat man noch nie zuvor im Valles Marineris gesehen - ein Hinweis darauf, daß der Planet eine sehr viel komplexere Frühgeschichte hatte als ursprünglich angenommen. Aufnahme des Mars Global Surveyor, 11.10.1997 
Quelle: NASA's Planetary Photojournal
War das Marsklima möglicherweise schon von Anbeginn kalt und hat sich in den vergangenen 4,6 Mrd. Jahren kaum verändert? Das ist unwahrscheinlich: Aufnahmen aller bisherigen Mars-Orbiter zeigen, daß viele Kanäle die Marsoberfläche durchziehen, die höchstwahrschei1nlich einst von fließendem Wasser gebildet worden sind. Zwar hätten einige Kanäle auch bei kaltem Klima durch plötzlich aus großen Tiefen freigesetztes Wasser entstehen können, aber zur Bildung der Abflußsysteme, die das älteste Marsgelände kreuz und quer durchziehen, waren vermutlich höhere Temperaturen notwendig. Auch war auf dem Mars die Erosion während der ersten Jahrmilliarde seiner Geschichte stärker als heute, wenn man Abschätzungen von Peter Schultz von der Brown-Universität in Providence (Rhode Island) folgt. Dies ist ein weiteres Indiz, daß der Planet warm genug war, Wasser flüssig zu halten.
Wie warm es auf dem Mars war, wissen die Geologen zwar nicht genau, aber der Treibhauseffekt einer einstmals dichten Kohlendioxidatmosphäre könnte seine Oberfläche durchaus erwärmt haben. Kastings Berechnungen zufolge hätte eine CO2-Atmosphäre von 1 bis 5 bar Teile der Marsoberfläche in ihrer Frühzeit vor Frost bewahrt. Dabei gilt der niedrigere Wert für den Marsäquator und größtmögliche Sonnennähe des Planeten; die größere Zahl ist ein Mittelwert für den gesamten Planeten.

Ein feines Nettzwerk von Wasserläufen auf dem Mars. Zu sehen ist ein mit vielen Kratern übersätes Hochland, das von feinen Kanälen durchzogen ist. Die Lage dieser Kanäle läßt sie als Abflußläufe erscheinen. Da sie nur auf altem Gelände auftreten, stammen sie wahrschienlich aus einer Zeit, als es auf dem Mars noch Regenfälle gab, die den Fels aktiv erodieren konnten. Das allmähliche Verschwinden dieser Kanäle könnte darauf zurückgehen, daß die alten Wasserläufe damals im Boden versickert sind.
Viking 2-Sonde, Quelle: NASA's Planetary Photojournal
Daß Mars früher einmal soviel atmosphärisches Kohlendioxid besaß, liegt durchaus im Bereich des Möglichen - obwohl es 150 - 800mal mehr gewesen wäre als heute. Wäre der Planet Mars, dessen Masse nur ungefähr ein Zehntel der Erdmasse ausmacht, einst gemäß diesem Massenverhältnis mit Kohlendioxid ausgestattet gewesen, so hätte sein Gesamtvorrat an Kohlendioxid ungefähr 10 bar entsprochen (für diese Zahl muß man die im Vergleich zur Erde kleinere Oberfläche und Gravitation des Mars berücksichtigen).
Nach Kastings und Pollacks Hypothese hatte Mars einen ausreichenden Vorrat an Kohlendioxid, kühlte aber dennoch aus, weil sein Austauschmechanismus zusammenbrach. Die Forscher meinen, daß der Planet einst ein funktionierendes Austauschsystem besaß, denn andernfalls hätte die Gesteinserosion das gesamte Kohlendioxid innerhalb von nur 10 Mio. Jahren aus der Atmosphäre entfernt. Doch offensichtlich enthielt die Atmosphäre noch viel länger größere Mengen dieses Gases.
Das geht aus den Abflußsystemen hervor: Auf den alten südlichen Hochebenen können sie durch Auszählen der Meteoritenkrater, die sie überlagern, datiert werden. Demnach führten die Abflußsysteme noch Wasser, als die Epoche des schwersten Meteoritenbombardements schon dem Ende zuging - vor etwa 3,8 Mrd. Jahren.
Das Austauschsystem entzog wahrscheinlich der Atmosphäre ihr Kohlendioxid durch den gleichen Erosionsprozeß wie auf der Erde. Doch die Regeneration des Gases fand möglicherweise ganz anders als auf der Erde statt, weil es auf dem Mars vielleicht nie plattentektonische Prozesse gegeben hat. Eine Möglichkeit wäre, daß von Mars-Vulkanen ausgestoßene Lava Carbonatsedimente bedeckte und sie allmählich so tief unter sich begrub, daß durch Druck und Hitze aus den Sedimenten Kohlendioxid freiwurde. Computermodellen zufloge hätte dieser Prozeß ausgereicht, noch ein Milliarde Jahre nach der Entstehung des Planeten den Carbonat-Zyklus in Gang zu halten.
Anscheinend kühlte Mars nicht darum ab, weil er zu wenig Sonnenenergie empfängt als die Erde, sondern weil er kleiner ist. Er besaß bei seiner Entstehung weniger innere Wärme, und durch sein großes Oberflächen-Volumen-Verhältnis verlor er diese Wärme schneller. Schließlich wurde das Innere des Mars so kalt, daß aus den Carbonatgesteinen kein Kohlendioxid mehr ausgasen konnte. Das gesamte der Atmosphäre durch Erosion entzogene Kohlendioxid blieb im Boden gebunden. Die Atmosphäre wurde dünn und das Marsklima allmählich so kalt wie in der Gegenwart. Wäre Mars so groß wie die Erde gewesen, hätte er wahrscheinlich genug innere Wärme besessen, den Kohlendioxid-Austausch aufrechtzuerhalten und dadurch die geringere Sonneneinstrahlung auszugleichen.

Wie Venus austrocknete

Während Mars einen riesigen, wenn auch gefrorenen Vorrat an Wasser besitzt, ist Venus heut fast vollständig wasserlos. Das wenige Wasser der Venus befindet sich in der Atmosphäre, und zwar als Wasserdampf oder als Bestandteil der dichten Schwefelsäurewolken, die den Planeten einhüllen. Die Klimatologen haben im wesentlichen zwei Theorien für die Trockenheit der Venus entwickelt.
John Lewis von der Universität Arizona und seine Mitarbeiter vertreten die Ansicht, die Venus habe niemals viel Wasser besessen: Der Bereich des solaren Nebels, in dem die Venus entstand, sei für die Bildung hydrierter Minerale zu heiß gewesen.
Eine große Schwäche dieser ersten Theorie ist es, daß sie die Wirkung der Gravitation nicht berücksichtigt. Gemäß den dynamischen Modellen, die George Wetherill von der Carnegie-Stiftung in Washington entwickelt hat, sammelt ein entstehender Planet nicht nur Planetesimale auf, die seine Umlaufbahn kreuzen, sondern stört auch die Bahnen solcher Körper und verstreut sie quer über das innere Sonnensystem. In späteren Wachstumsphasen waren die Vorformen von Erde und Venus sogar massereich genug, Planetesimale untereinander auszutauschen. Die von der Erde kommenden Körper wären reich an Wasser gewesen und hätten die Venus großzügig mit Wasser versorgt.
Diesem Einwand trägt die zweite Theorie Rechnung: sie besagt, die Venus habe ursprünglich Wasser in Hülle und Fülle besessen - vielleicht soviel wie die Erde -, aber die lebensspendende Substanz sei auf dem Weg in die obere Atmosphäre verlorengegangen. Dort spaltete die Sonnenstrahlung die Wassermoleküle und setzte Wasserstoffatome frei, die in den Weltraum entwichen. (Nur in der oberen Atmosphäre kann das Wasser durch entweichenden Wasserstoff dezimiert werden; in geringen Höhen werden die leichten Wasserstoffatome durch Streuung an schwereren Molekülen wie Kohlendioxid in der Atmosphäre festgehalten.)
Verschiedene Versionen dieser zweiten Theorie beantworten die Frage unterschiedlich, ob es auf der Venusoberfläche über nennenswerte Zeitspannen hinweg flüssiges Wasser gegeben haben kann. Die klassische Erklärung unterstellt einen instabilen Treibhauseffekt und behauptet, auf der Venusoberfläche habe niemals Wasser vorkommen können.
Demzufolge kann das Oberflächenwasser auf einem Planeten nicht flüssig bleiben, wenn die Sonneneinstrahlung eine kritische Schwelle übersteigt. Falls der solare Strahlungsfluß auf der Umlaufbahn der Venus diesen kritischen Wert von Anfang an überschritten hätte, wäre das gesamte aus dem Planeteninneren austretende Wasser sofort verdampft. Zumindest im unteren, heißeren Teil der Atmosphäre wäre dieses Wasser nicht als Regen kondensiert, und folglich hätten sich keine Ozeane bilden können.
Die Atmosphäre verlöre das Wasser, weil die aufsteigende Luft sich unter solch feuchtheißen Bedingungen ungewöhnlich langsam abkühlte. Dadurch wäre erst in großen Höhen (bei ungefähr 100 km) die sogenannte Kältefalle wirksam geworden; darunter versteht man den Bereich, in dem tiefe Temperatur und hoher Luftdruck gemeinsam den Sättigungsdruck auf einen Minimalwert erniedrigen. Normalerweise ist die relative Wasserdampfkonzentration (der vom Wasserdampf eingenommene Volumenanteil der Atmosphäre) in der Kältefalle viel geringer als in der darunterliegenden Atmosphäre, und statt aufzusteigen kondensiert das Wasser.
Läge die Kältefalle hingegen in großer Höhe, so wäre die relative Wasserdampfkonzentration dort ähnlich groß wie in der Nähe der Oberfläche. In diesem Fall ließe die Kältefalle eine beträchtliche Wassermenge in die obersten Atmosphärenschichten durch; dort würde Photodissoziation (d. h. Wasserstoffabspaltung durch Sonnenstrahlung) und Entweichen des Wasserstoffs das Wasser reduzieren. Durch diesen Mechanismus könnte Venus in weniger als 30 Mio. Jahren die Wassermenge eines ganzen Ozeans verloren haben.
Im Gegensatz dazu befindet sich die Kältefalle der gegenwärtigen Erdatmosphäre in relativ niedriger Höhe (zwischen 9 und 17 km) an der Grenze von Troposphäre und Stratosphäre. Wenn Wasserdampf aus tieferen Schichten zur Kältefalle aufsteigt, kondensiert er fast vollständig aus; darum ist unsere Stratosphäre extrem trocken und gibt nur wenig Wasserstoff in den Weltraum ab.
Erdatmosphäre

frühe Venus mit feuchtem Treibhaus
frühe Venus mit instabilem Treibhaus
Wasserdampf neigt kaum dazu, die Erdatmosphäre zu verlassen; dies gilt aber nicht für das Frühstadium der Venus. Auf der Erde (links) wird das in der Troposphäre vorhandene Wasser daran gehindert, die Stratosphäre zu erreichen. Dafür ist die sogenannte Kältefalle verantwortlich: ein Bereich, wo zugleich tiefe Temperatur und relativ hoher Luftdruck herrschen und die Konzentration des Wasserdampfs sehr niedrig halten. In der Kältefalle kondensiert der Wasserdampf fast vollständig aus. Auf der Venus war die untere Atmosphäre, verglichen mit der Erde, zwar anfangs warm, aber dennoch wahrscheinlich kühl genug, um Wasser zu kondensieren und einen Ozean zu bilden. Dieses Meer hätte sich im Laufe der Zeit jedoch verflüchtigt und ein sogenanntes feuchtes Treibhaus erzeugt (Mitte); es ensteht, wenn hohe Oberflächentemperaturen bewirken, daß die untere Atmosphäre zu mehr als 20% aus Wasserdampf besteht. Die Kältefalle verlagert sich dann in große Höhe und ist nicht mehr fähig, den Wasserdampf am Aufsteigen in die obere Atmosphär zu hindern. Obwohl der Wasserdampf teilweise als Regen auskondensiert, dissoziiert der Dampf in den obersten Schichten, und der abgespaltene Wasserstoff entkommt in den Weltraum. Venus könnte aber auch so heiß gewesen sein, daß sich statt dessen ein instabiles Treibhaus entwickelt hat (rechts). Das gesamte aus dem Planeten austretende Wasser verwandelte sich sofort in Dampf und konnte nie einen Ozean bilden. Das Wasser wanderte also im wesentlichen nur aufwärts.
Nach Kastings und Pollacks Berechnungen ist der zur Auslösung einer Treibhausinstabilität nötige solare Energiefluß ungefähr 1,4mal so groß wie die gegenwärtige Sonneneinstrahlung auf der Erde - sofern der betreffende Planet eine völlig wasserdampfgesättigte und wolkenfreie Atmosphäre hat. Das entspricht annähernd dem für die Frühzeit des Sonnensystems geschätzten Sonnenenergiefluß im Bereich der Venusumlaufbahn; demnach hätte Venus sich damals an der Schwelle zu einer Treibhausinstabilität befunden. Gab es jedoch Wolken, die einen wesentlichen Teil der Sonneneinstrahlung reflektieren konnten, so vermochte die Venus wahrscheinlich einer Treibhausinstabilität am Beginn ihrer Geschichte zu entgehen, und dann hätte es eine Zeitlang auf der Venus Ozeane geben können.
Solche Ozeane wären aber nicht sehr lange verschont geblieben. Als Alternative zur Theorie des instabilen Treibhauseffekts schlagen Kasting und Pollack die These vor, die Venus habe einst Ozeane besessen, sie aber verloren, weil ihre Atmosphäre in einem Zustand war, den sie als feuchtes Treibhaus bezeichnen: Unter solchen Bedingungen beträgt die relative Wasserdampfkonzentration nahe der Oberfläche mehr als 20% des Volumens der Atmosphäre. Wenn die Atmosphäre wie auf der Erde unter einem Druck von 1 bar steht, kann eine solche Konzentration erreicht werden, falls die Oberflächentemperatur auf mehr als 70°C ansteigt. (Hätte es auf der Venus einst Ozeane und Regenfälle gegeben, so wäre der größte Teil des Kohlendioxids in Carbonatgestein gebunden worden, und ein Atmosphärendruck von 1 bar wäre möglich gewesen.)
Kastings Klimasimulationen zeigen, daß ein feuchtes Klima entsteht, falls die Sonneneinstrahlung bei wolkenloser Atmosphäre mindestens 1,1mal so stark ist wie auf der Erde. Wenn die Wasserdampfkonzentration nahe der Oberfläche 20% übersteigt, kondensiert das Wasser, und die freiwerdende Kondesationswärme erhöht die Temperatur der Atmosphäre beträchtlich; dadurch steigt die Kältefalle (wie bei der Treibhausinstabilität) in größere Höhen auf, und Wasser kann in die obere Atmosphäre gelangen. Auf einem Planeten mit der 1,1fachen bis 1,4fachen Sonneneinstrahlung der Erde könnte es anfangs einen Ozean geben; Photodissoziation und Wasserstoffverlust würden diesen aber innerhalb einiger hundert Millionen Jahre verschwinden lassen.
Aus Kastings Sicht vermag die Theorie des feuchten Treibhauses besser als die der Treibhausinstabilität zu erklären, warum die Venus gegenwärtig kaum noch Wasser in flüssiger Form besitzt. Da die Kohlendioxidkonzentration in einem feuchten Treibhaus durch Erosion reduziert würde, wäre der gesamte Luftdruck niedriger als in einem instabilen Treibhaus. Daher würde schon wenig Wasserdampf genügen, um 20% des gesamten Gasvolumens auszumachen, und somit würde ein größerer Anteil des gesamten Wasservorrats die obere Atmosphäre erreichen. Bestünde die Atmosphäre z. B. aus 1 bar Wasserdampf und ebensoviel Kohlendioxid, so würde der Wasseranteil 50% des Volumens betragen und zum großen Teil entweichen. Gäbe es hingegen 99 bar Kohlendioxid, so würden die 1 bar Wasserdampf gerade 1% des Volumens ausmachen und in der Atmosphäre erhalten bleiben.
Unabhängig davon, ob die anfängliche Venusatmosphäre als instabiles oder als feuchtes Treibhaus wirkte, hätte der Planet sich schließlich zu seinem heutigen heißen und trockenen Zustand fortentwickelt. Sobald die Ozeane verschwanden, kam die Carbonatbildung zum Erliegen, und das Kohlendioxid reicherte sich in der Atmosphäre an. Darum besteht die Atmosphäre der Venus mit ihrem Druck von 93 bar heute hauptsächlich aus Kohlendioxid. Aber auch Schwefelgase, die wegen ihrer guten Wasserlöslichkeit ursprünglich selten waren, reicherten sich an und bildeten die Schwefelsäurewolken, die heute ein wesentliches Merkmal der Venusatmosphäre sind.
Venus vor 3,5 Mrd. Jahren?
Venus heute
Das Kohlendioxid und nicht der Sonnenabstand ist die Ursache für die heutige hohe Oberflächentemperatur der Venus. Sie empfängt zwar 1,9mal mehr Sonnenstrahlung als die Erde - aber ihre Schwefelsäurewolken reflektieren davon ca. 80%, so daß Venus tatsächlich weniger Sonnenenergie als die Erde absorbiert. Ohne den Treibhauseffekt wäre Venus kälter als die Erde und kaum wärmer als der soviel sonnenfernere Mars.

Die ständig bewohnbare Zone

Das Resultat, daß ein Planet mit der 1,1fachen Sonneneinstrahlung der Erde sein Wasser durch Photodissoziation verlieren würde, deckt sich mit der Berechnung von Hart, wonach die innere Grenze der ständig bewohnbaren Zone bei einem Sonnenabstand von ca. 0,95 AU liegt. Diese Übereinstimmung ist jedoch eher zufällig, da Kastings Abschätzung eher auf Wasserstoff-Fluchtraten beruht, während Hart auf anderem Weg zu seinen Ergebnissen gekommen ist.
Natürlich würde ein Planet an der inneren Grenze nicht lange bewohnbar bleiben. Die Leuchtdichte der Sonne nimmt zur Zeit alle 100 Mio. Jahre um 1% zu. Selbst die Erde wird in ferner Zukunft, ungefähr in 1 Mrd. Jahren, ihr Wasser zu verlieren beginnen. Diese letzte und größte Katastrophe für das Leben könnte noch eine Zeit aufgeschoben werden, falls das atmosphärische Kohlendioxid durch den Carbonat-Silicat-Zyklus abnähme. Aber diese Annahme selbst könnte sich für das Leben schon als verhängnisvoll erweisen, da viele Pflanzen nicht mehr in der Lage wären, die Photosynthese zu betreiben, wenn sie noch weniger Kohlendioxid aufnehmen können als heute. Von vielen C3-Pflanzen ist bekannt, daß sie schon bei der heutigen Atmosphäre nicht ihre volle Leistung entfalten können.
Die äußere Grenze der dauernd bewohnbaren Zone muß beträchtlich weiter entfernt von der Sonne liegen, als Hart sich vorgestellt hat - vielleicht sogar bei 1,5 AU, also etwa bei der Marsumlaufbahn. 
Auf einem Planeten, der ähnlich groß wie die Erde, aber weiter von der Sonne entfernt wäre, würde vermutlich fast derselbe negative Rückkopplungseffekt wirksam sein, der das Erdklima in den vergangenen 4,5 Mrd. stabilisiert hat. Der Mars ist nur aus dem einzigen Grund gefroren, weil er zu klein ist, um die Regeneration des Kohlendioxids aufrechtzuerhalten. Auf der Marsumlaufbahn sollte ein Planet von sder Größe der Erde gemäß Kastings Theorie in seiner Atmosphäre mehrere bar Kohlendioxid anreichern und eine mittlere Oberflächentemperatur über 0°C aufweisen. In dieser Luft könnten Menschen und Tiere zwar nicht atmen, aber pflanzenähnliches Leben könnte durchaus darin existieren. 
Hart bestimmte für die ständig bewohnbare Zone zuerst eine außerordentlich schmale Kugelschale; daraus ergab sich eine verschwindend geringe Wahrscheinlichkeit, Sterne mit erdähnlichen Planeten zu finden, selbst wenn Planetensysteme an sich häufig wären. Kastings Berechnungen legen dagegen den umgekehrten Schluß nahe: Da andere Planetensysteme nachgewiesenermaßen existieren, besteht eine sehr gute Chance, bewohnbare Planeten zu finden. Ob nun einige davon tatsächlich bewohnt sind, ist natürlich immer noch eine offene Frage; sie kann aber nicht mehr mit der Behauptung verneint werden, die Erde sei klimatologisch einmalig im Universum.

Aber vielleicht läuft die Entstehung des Lebens auch ganz anders ab, als wir uns das jetzt vorstellen...

Original im April 1988 in Spektrum der Wissenschaft erschienen
1998 verbessert und aktualisiert von Christoph Kulmann